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Das Sperrdifferenzial und seine Vorzüge

11. Dezember 2015
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Das Sperrdifferenzial ist ein oftmals unbekannter Freund und Helfer bei der Antriebstechnik von Automobilen. Doch in welchen Situationen genau hilft ein Differenzial mit Sperrwirkung und wie funktioniert es?

Differenzialgetriebe selbst sind unerlässlich

Wer bereits das Vergnügen mit einem echten Geländewagen oder einem technisch aufgewerteten Sportwagen hatte, dürfte zumindest die positiven Auswirkungen einer Differenzialsperre schon einmal erlebt haben. Genauer gesagt: Die Sperrwirkung eines Differenzialgetriebes. Bei den meisten Fabrikaten arbeitet jedoch ein offenes Differenzial (ohne feste Sperrwirkung) auf den Fahrzeugachsen, welches erstmal die Aufgabe hat, das einwirkende Drehmoment zwischen zwei Rädern einer Achse auszugleichen.

Im alltäglichen Fahrzeuggebrauch zeigt sich der Nutzen, sobald man eine Kurve fährt oder rangiert. Je enger die Kurve ist, desto unterschiedlicher ist die Rolldistanz und damit auch die Drehzahl von kurveninnerem und kurvenäußerem Rad einer Achse. Das offene Differenzialgetriebe (also ohne Sperrwirkung) ermöglicht erst eine unterschiedliche Drehzahl der beiden Räder.

So sieht das Gehäuse eines Sperrdifferenzials aus. © Karl-Heinz Laube / pixelio.de

So sieht das Gehäuse eines Sperrdifferenzials aus. © Karl-Heinz Laube / pixelio.de

Ferner erfahren beide Räder stets das gleiche Drehmoment, abhängig vom Rad mit dem jeweils geringeren Grip. Neigt sich das Fahrzeug z. B. in Serpentinen-ähnlichen Kurven zu sehr nach außen, wird das innere Rad ggf. so sehr entlastet, dass es durchdrehen bzw. schlupfen kann. Bei einem offenen Differenzial wirkt auf das kurvenäußere Rad folglich selbiges Drehmoment wie auf das innere, obwohl es deutlich stärker im Grip ist und mehr Moment auf die Straße übertragen könnte.

Bei einem starren Differenzial hingegen (also mit 100%iger Sperrwirkung) hätten beide Räder stets die gleiche Drehzahl und würden das Fahrzeug in Kurven somit zum Untersteuern zwingen. Alternativ wird der Sperrwert auch kleiner gewählt, um gewünschte Differenzen beim Drehmoment zwischen den Rädern zuzulassen. Beträgt der Sperrwert z. B. 25 %, kann das vom Antriebsstrang stammende Drehmoment zu höchstens 62,5 %, mindestens aber zu 37,5 % pro Rad übertragen werden (62,5 – 37,5 = 25 %). Folglich erfährt das gripstärkere der beiden Räder maximal das 1,67-fache Drehmoment des weniger gripstarken Rades (62,5 : 37,5 = 1,67).

Das Sperrdifferenzial als Quersperre

Verfügt ein Fahrzeug auf einer seiner Antriebsachsen über ein Differenzialgetriebe mit Sperrwirkung, so spricht man neben einem Sperrdifferenzial auch von der Quersperre. Grundsätzlich liefert ein Getriebe ohne Sperrmöglichkeit keine schlechteren Fahrleistungen im konventionellen Alltag, es ist im Gegenteil sogar dem Fahrkomfort förderlich und durch geringere Reibungsverluste auch effizienter für den Energieverbrauch.

Die Unterschiede zwischen einem offenen und einem Differenzial mit Sperrwirkung machen sich primär in den Grenzbereichen bemerkbar. Bei winterlichten Verhältnissen kann der rechte Fahrbahnteil verschneit und vereist sein, der linke hingegen trocken und frei. Dem rechten Rad eines Fahrzeugs wird hier also kaum Grip geboten wird (es schlupft), das linke Rad hingegen erfährt hinreichenden Grip.

Ohne ein Sperrdifferenzial kommt das Fahrzeug zum Stehen, weil das linke Rad eben nur soviel Drehmoment übertragen kann wie sein schlupfender Gegenspieler (sofern der vorangehende Schwung nicht mehr ausreicht, um den verschneiten bzw. vereisten Teil zu überwinden). Mit einer Quersperre hingegen lässt sich – je nach zulässigem Sperrwert –  mehr Moment auf das gripstärkere Rad übertragen und ein Stillstand des Fahrzeugs verhindern.

Das Sperrdifferenzial als Wunder im Sportwagen

Ein Sperrdifferenzial wirkt, je nach systemtechnischer Beschaffenheit, solchen Situationen blitzschnell entgegen und sperrt das rechte Rad soweit es sinnvoll ist. Manche Fahrzeuge können mit ihrer Quersperre bis zu 100 % des Drehmoments auf ein Rad bringen, um solche Hindernisse zu überwinden. Besonders interessant ist der Einsatz eines Sperrdifferenzials daher bei leistungsstarken Sportwagen, deren Fahrdynamik im physischen Grenzbereich sich solches Eingreifen zu Nutze macht.

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Moderne Fahrzeuge arbeiten in aller Regel mit elektronisch gesteuerten Differenzialsperren, welche nicht nur auf die Beschaffenheit des Radgrips, sondern eine Vielzahl von Kriterien präventiv reagieren. Bei schnellem Eintreten in eine Kurve (scharfes Abbremsen, schlagartiges Einlenken, Zunahme der Querbeschleunigung) kann die Quersperre bereits das kurveninnere Rad im ankommenden Drehmoment ent- sowie das äußere Rad entsprechend stärker belasten. Damit verhindert das Sperrdifferenzial ein ungewolltes aber auch gefährliches Untersteuern des Fahrzeugs.

Folglich lässt sich auch ein vorgezogener Scheitelpunkt für das Herausbeschleunigen aus der Kurve nutzen, weil das physisch stärker belastete kurvenäußere Rad mehr Drehmoment auf den Asphalt übertragen kann. Bei Modellen mit Heckantrieb lassen sich die Auswirkungen besonders gut beobachten, da im Gegensatz zu Fronttrieblern keine Schiefstellung der Räder durch den Lenkeinschlag hinzukommt.

Fotos: pixelio.de

Unser Hauptautor und Chefredakteur. Hat eine Schwäche für Hothatches, Audi RS-Modelle und sonstige V8-Boliden. Privat bleibt er bislang der Marke VW treu.

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