Fahrerassistenzsysteme: Tuning für Komfort und Sicherheit?

Die Zukunft des autonomen Autofahrens scheint längst besiegelt. Was in den 90er Jahren mit ABS und ESP als Assistenten der Fahrsicherheit begann, führt mit einem noch futuristischen (aber durchaus absehbaren) Blick zur voll-autonomen Maschinerie. Den gewinnorientierten Spediteur wird jedwede Entlastung seiner fahrenden Mitarbeiter freuen – doch gilt das auch für selbstbestimmte Sportwagenbesitzer, die in Fahrerassistenzsystemen vielleicht eine Fahrspaß verderbende Bevormundung sehen?

Der Drang zu mehr Sicherheit im Straßenverkehr

Auch Hersteller Audi setzt seit einiger Zeit auf die Fahrerassistenzsysteme

Auch Hersteller Audi setzt seit einiger Zeit auf die Fahrerassistenzsysteme

Das Ziel von Fahrerassistenzsystemen ist weitestgehend eindeutig: Sie sollen für ein höheres Maß an Verkehrssicherheit sorgen, und damit die Zahl der vorherrschenden Unfälle reduzieren. In den 70er Jahren gab es bereits mit einer Verbreiterung der Straßen ein ähnlichen Versuch, der jedoch durch höhere gefahrene Geschwindigkeiten schnell kompensiert wurde. Ein mögliches Indiz für den leichtsinnigen Menschen, der sich gern in vermeintlicher Sicherheit wähnt. Genau hier muss der Fortschritt bei Fahrerassistenzsystemen ansetzen, um deren Existenzgrundlage zu sichern – andernfalls droht die fortschreitende Einführung zum reinen Luxusgut zu verfallen.

Neben mehr Komfort sollen die Fahrerassistenzsysteme auch die Sicherheit erhöhen

Neben mehr Komfort sollen die Fahrerassistenzsysteme auch die Sicherheit erhöhen

Erste Live-Versuche zeigen indes, dass die Nutzung der Fahrerassistenzsysteme auf Kundenseite nach und nach Anklang findet. Mit dem Mercedes-Benz Future Truck 2025 gab es im vergangenen Sommer die Präsentation eines Meilensteins für die LKW-Lenker: Das einschläfernde Geradeaus-Fahren auf Autobahnen wird durch den Highway Pilot vollständig übernommen, Spurwechsel sowie Landstraßen- und Stadtverkehr obliegen jedoch weiterhin dem Steuermann. Was für den sportiven Mittdreißiger im Porsche die blanke Hölle wäre, ist für den Fahrerberuf durchaus eine Steigerung der Attraktivität: Mehr Kompetenz und Funktion im Büro-ähnlichen Fahrerhaus anstelle des stupiden Tunnelblicks auf den Vordermann.

Fahrerassistenzsysteme zwischen Sicherheit und Bequemlichkeit

Die Fahrerassistenzsysteme beinhalten oftmals auch die Notbremsfunktion

Die Fahrerassistenzsysteme beinhalten oftmals auch die Notbremsfunktion

Was im Ursprung der Verkehrssicherheit dient, entwickelt sich aber zunehmend auch zum Assistenten der luxuriösen Bequemlichkeit. Nicht allein die Kollisionsbremsfunktion oder Fußgängerwarnung werden Teil der immer gängigeren Fahrerassistenzsysteme, auch ein Abstandstempomat sowie Stau- und Spurhalteassistenz erhalten vor allem in modernen PKWs Einzug, um dem Fahrer erste “lästige” Aufgaben abzunehmen. Grundsätzlich unterscheidet man bei den Fahrerassistenzsystemen zwischen vier Stufen der Funktionsübernahme.

Die Ausprägung der Fahrerassistenzsysteme ist vielfältig

Die Ausprägung der Fahrerassistenzsysteme ist vielfältig

Die assistierenden Systeme unterstützen den Fahrer lediglich während der Autofahrt, sie übernehmen jedoch keine komplette Funktion. Dazu zählen der Tempomat oder Spurassistent, die letztendliche Kontrolle des Fahrzeugs überliegt weiterhin dem Fahrer. Teilautomatisierte Systeme hingegen nehmen dem Fahrer einzelne Funktionen ab, beispielsweise als Stauassistent für niedrige Geschwindigkeiten. Trotz bzw. gerade wegen der eingeschränkten Übernahme, müssen solche Systeme ständig vom Fahrer überwacht werden. Bei hochautomatisierten Systemen dagegen genügt letztendlich die Aktivierung durch sowie die reine Anwesenheit des Fahrers. Diese übernehmen komplette Fahrfunktionen inklusive Bremsen, Spurwechsel und Anpassung des Tempos sowie Ein- und Ausparken des Fahrzeugs. Als vierte und höchste Ausbaustufe gelten die vollautomatisierten Systeme: Hier wird ebenfalls eine Fernsteuerung des Autos ermöglicht, ohne Anwesenheit des Fahrers (z. B. automatisches Ein-/Ausparken im Parkhaus, nachdem der Fahrer aus- bzw. bevor er eingestiegen ist).

Fahrerassistenzsysteme und ihre Akzeptanz in der Gesellschaft

In der Gesellschaft ist die Haltung zu Fahrerassistenzsystemen nicht eindeutig

In der Gesellschaft ist die Haltung zu Fahrerassistenzsystemen nicht eindeutig

So schön die Ideen der Automobilhersteller auch sind, ihre Kunden bei der Fahrt bevormundend zu entlasten, so sehr braucht es bei den Endnutzern auch die entsprechende Akzeptanz. Eine schrittweise Einführung der Fahrerassistenzsysteme (Stichwort: Salamitaktik) sowie die Option zur Deaktivierung der Assistenten ist dabei durchaus entscheidend: Der oder die Fahrzeugführende möchte sich nun mal ungern vom PKW düpiert fühlen, ein Handlanger dagegen ist herzlichst willkommen. Zu beobachten war dieses Phänomen bereits in den 70er Jahren, als vielen Hersteller ein Automatikgetriebe neben der Handschaltung anboten.

Einparken leicht gemacht: Fahrerassistenzsysteme können auch hier unterstützen

Einparken leicht gemacht: Fahrerassistenzsysteme können auch hier unterstützen

Zwar hat es einige Dekaden gebraucht, bis neben der Bequemlichkeit auch die technischen (Effizienz-)Vorteile durchschlugen, mit den modernen Steuerungstechniken und seit der Geburt der Doppelkupplungsgetriebe sowie Lenkrad-Schaltwippen sind die Vorteile aber hinreichend besiegelt – die Verkaufszahlen sprechen (vor allem bei Volkswagen) für sich. Der Konzern setzt dabei ebenfalls auf die schrittweise Akzeptanz und die werbetechnische Untermahlung mit Vorteilen für den Komfort. Vor der serienmäßigen Einführung der eigenen Fahrerassistenzsysteme wartet man bei VW jedoch gerne die Erfahrungswerte der Konkurrenz ab, eine Vorreiterrolle überlässt man hier oftmals den Premium-Herstellern bzw. gelegentlich auch den eigenen Premium-Modellen.

Video: Fahrerassistenzsysteme bei Audi

Der Konflikt zwischen Mensch und Maschine

Sind Fahrerassistenzsysteme wirklich der beste Beifahrer?

Sind Fahrerassistenzsysteme wirklich der beste Beifahrer?

Je nach Grad der Automatisierung kann ein eigenständiges Verhalten des Fahrzeugs auf Unverständnis beim Fahrer selbst treffen, beispielsweise bei einer plötzlichen Vollbremsung, deren Auslöser für den Menschen nicht direkt ersichtlich ist – wenn auch aufgrund von eigener Unachtsamkeit. Darüber hinaus wird es für künftige Fahranfänger sichtlich schwieriger, ihr Auto manuell zu beherrschen (soweit Fahrerassistenzsysteme die Vorfahrt erlangen). Weitere Konflikte werden sich vor allem bei anderen Verkehrsteilnehmern zutragen, die den automatisierten Fahrzeugen entweder Misstrauen oder gar zu großes Zutrauen entgegen bringen.

Die ESP-Systeme zählen im weitesten Sinne auch zu den Fahrerassistenzsystemen, sind aber längst Standard

Die ESP-Systeme zählen im weitesten Sinne auch zu den Fahrerassistenzsystemen, sind aber längst Standard

Für ersteres hat Mercedes bei seinem Future Truck 2025 äußere Leuchtmodule angebracht, die je nach Farbschema die manuelle oder automatisierte Führung des LKWs signalisieren. Missbräuchlich wird es möglicherweise durch Fußgänger und Radfahrer, die sich auf die gesicherte Assistenzfunktion der Autos verlassen und durch nachlässiges Verhalten eben solches provozieren. Selbiges gilt aber ebenso für den Fahrer selbst, der jegliche Verantwortung an die eigenen Fahrerassistenzsysteme abtritt bzw. diese überschätzt.

Ausblick und Fazit für das Tuning der besonderen Art

Die Fahrerassistenzsysteme sind zweifelsohne auf dem Vormarsch – größtenteils zurecht. Soweit der Fahrer die Systeme noch deaktivieren kann, muss er sich nicht zwingend bevormundet fühlen. Wo aber geht die Reise der Zukunft hin? Wenn Fahrerassistenzsysteme nicht mehr die Sonderausstattung stellen sondern serienmäßig enthalten sind?

Eine Berücksichtigung der künftig hoch- bis vollautomatisierten Systeme in den ECE-Regeln wird auch die nationale Rechtsprechung sowie die Einstufung bei Versicherungen auf den Plan rufen. Wer in 20 Jahren also noch meint, selbstbestimmt sein Fahrzeug zu bewegen, hat vielleicht technisch noch die Chance. Spätestens aber bei einem Schadensfall dürfte man das Nachsehen haben, wenn die Fahrerassistenzsysteme nachweislich deaktiviert wurden. Für die Tuningfreunde, die gerade die individuelle Note ihres Fahrzeugs schätzen, führt das unweigerlich zur Einschränkung der persönlichen Entfaltung des Fahrerlebnisses.

Fotocredit: DVR

Unser Hauptautor und Chefredakteur. Hat eine Schwäche für Hothatches, Audi RS-Modelle und sonstige V8-Boliden. Privat bleibt er bislang der Marke VW treu.

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